Das grausige Grimoire - Im Mondenschein

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Im Mondenschein

Ein Werwolf war schuld; der Grund für all die Verschwundenen. Das war zumindest, was Alice behauptete, nachdem sie sich endlich ausreichend beruhigt hatte, um einen verständlichen Satz über die Lippen zu bringen. Kein Dämon, der mit Zamorak im Bunde stand und von einem Missetäter beschworen wurde, der auf der Suche nach verbotenem Wissen war, wie der Dorftratsch behauptete. Keine Plage, gesandt von einem erzürnten Saradomin, um die Sünden jener zu bestrafen, die vom rechten Pfad abgekommen waren, wie der fanatische Pater Gabriel inbrünstig predigte. Nicht einmal der vermaledeite brutale Köter, Kerberos, den Almos den Mönchen des Paterdomus nur mit Müh und Not aufgeschwatzt hatte. Almos hatte vermutet, er sei wieder ausgebüxt und vielleicht der Tollwut erlegen; wäre auf Leute losgegangen oder ähnliches.

Ausgerechnet ein Werwolf. Er konnte es selbst kaum glauben. Natürlich waren ihm Gerüchte zu Ohren gekommen, über die vergangenen Jahre, als er in den Zwingern von Ruthvens Anwesen bei Silvarea gearbeitet hatte. Glauben konnte er ihnen allerdings nie schenken, selbst wenn seine Frau anderer Meinung war.

Er hatte sie am Waldesrand gefunden, in ihren zerfetzten und blutüberströmten Lumpen, verschreckt wie ein Häschen, das einem Fuchs in die Augen blickt. Sie kam nicht aus dem Schluchzen heraus und hatte ihr Gesicht so tief in den Händen vergraben, dass es kaum möglich war, einen guten Blick darauf zu erhaschen. Sie behauptete, die Bestie wäre mitten aus dem Nichts gekommen - einfach aus dem Wald aufgetaucht und über ihren Vater hergefallen, habe ihm die Kehle wie ein wildes Tier aufgerissen, sich dann auf die Hinterbeine erhoben und wie ein Mensch gelacht. Vermutlich wäre sie als Nächstes dran gewesen, hätte ihr seltsamer Dolch das Monster nicht vertrieben.

Lord Ruthven kaufte ihr die Geschichte ab, das stand außer Frage. Er behauptete, dass sich nördlich von Falador vor Kurzem etwas ähnliches zugetragen hatte, darum organisierte er eine Jagdgesellschaft. Er sandte sie früh morgens aus, mit den Dolchen bewaffnet und Hunden im Gespann, während Alice in der Obhut von Almos' Frau zurückblieb. Doch dann war da überall dieser verfluchte Nebel. Unheimliches Zeug. Fast schon übernatürlich. Almos' Herz raste, er war kaum in der Lage, seine eigenen Füße zu sehen.

Wie sie so halbblind durch das knorrige Unterholz stolperten, war es kein Wunder, dass er von der Gruppe abkam und sich allein mit zwei von seinen Hunden wiederfand. Die Sonne war bereits hinter dem Horizont verschwunden, als sie einen Geruch aufnahmen, der sie fast wahnsinnig machte. Ein langes Heulen durchschnitt die Nacht, das Almos das Blut in den Adern gefrieren ließ, und die dummen Viecher preschten los und verschwanden im Nebel.

Es dauerte nicht lang, bis er sie fand. In kleine Fetzen gerissen waren sie, zusammen mit den Männern, mit denen er morgens losgezogen war. Ein einzelnes Paar Spuren, nicht ganz menschlich, führte direkt zurück zum Anwesen.

Almos hastete ihnen so schnell wie nur möglich nach, warf die Tür offen, auf der panischen Suche nach seiner Ehefrau. Die Tür ächzte in den Angeln und schloss sich mit einem Knall als er die Worte vernahm: 'Sie ist nicht hier.' Er drehte sich um und erblickte Alice, wie sie da stand mit niederträchtigem Grinsen im Gesicht, im fahlen Mondlicht, das durch das Fenster fiel und ein Paar funkelnder blutroter Augen offenbarte.